Ein weiterer Blockbuster, klanglich ebenso wie musikalisch, von der unschlagbaren Kombination Reiner/RCA (und Mohr & Layton). Aufgenommen 1957 in der Chicago Orchestra Hall; die originalen analogen Aufnahmebänder wurden für das Mastering der LPs und SACDs verwendet. Mussorgskijs Inspiration für die "Bilder ..." war der Tod seines engen Freundes, des Architekten und bildenden Künstlers Wiktor Hartmann. Bei seinem frühen Tod im Alter von 39 Jahren hatte Hartmann noch keine Gelegenheit gehabt, seine architektonischen Visionen umzusetzen, und Mussorgskij war besorgt, weil sein Freund kein Vermächtnis hinterließ. In der Akademie der Künste von St. Petersburg gab es eine Ausstellung mit Hartmanns Zeichnungen — sowohl von architektonischen Entwürfen als auch Porträts oder auch von Alltagsszenen. Diese Anerkennung gab Mussorgskij genügend Anregungen für seine Komposition, war aber nicht ausreichend, um Hartmann einen dauerhaften Platz in der Geschichte zu sichern. Heutzutage können von all diesen Zeichnungen, die in Musik eingefangen wurden, nur sechs sicher identifiziert werden.
Heutzutage ist das Stück hauptsächlich durch die Orchesterversion von Maurice Ravel aus dem Jahre 1922 bekannt. Tatsächlich war das Werk bereits von einer Vielzahl weniger bekannter Künstler mehrfach orchestriert worden. Inzwischen sind einige Dirigenten der Meinung, dass Ravels Version trotz ihrer Farbigkeit einiges von der Ungeschliffenheit opfert, die Mussorgskis originaler Klavierkomposition innewohnt. Darüberhinaus arbeitete Ravel mit der von Rimski-Korsakow bearbeiteten Version des Klavierauszugs — der einzigen, die zu jener Zeit verfügbar war — in der einige der Noten und Rhythmen abgewandelt waren.
Aber keine von all diesen Orchestrierungen ändert den fundamentalen Geist dieses Stücks. Mussorgskij stellt sich vor, einen Gang durch den Saal zu machen, in dem das Werk seines verstorbenen Freundes ausgestellt ist, wobei sein gemessenes Voranschreiten durch die Promenade repräsentiert wird, mit der das Stück beginnt und die mehrmals wiederkehrt. Während er vor jedem Bild stehenbleibt, denkt er nach über das, was er sieht. Zwischen den anfänglichen Stücken hört man die Promenade immer wieder, da Mussorgskij sich bewusst von einem Bild zum nächsten bewegt. Aber im weiteren Verlauf nimmt er die Intervalle zwischen den einzelnen Ausstellungsstücken weniger wahr, er ist mehr und mehr versunken in die wiederkehrende psychologische Erfahrung, sich von einem geistigen Zustand in einen anderen zu bewegen. Am Ende sieht sich der Komponist verwandelt durch die Verbindung mit Hartmann mit Hilfe von dessen visuellen Expressionen russischen Stolzes und russischer Humanität.